Einer geht noch...
- B K

- 25. März 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Apr. 2024

Mehrhundehaltung liegt im Trend!
Inzwischen ist es ja allgemein bekannt, was für hochsoziale Lebewesen Hunde sind. Es wird immer mehr die Kommunikation unter Hunden beobachtet, es gibt unzählige Seminare und Webinare dazu, etliche Bücher sind darüber geschrieben. Jeder kann sich das Wissen über die Kommunikation unter Hunde aneignen.
Viele Menschen haben inzwischen mehr als einen Hund. Ich habe ja auch zwei und vielleicht kommt irgendwann mal noch einer dazu.
Es ist ein großes Geschenk, Hunde mit Hunden beobachten zu können, finde ich.
Manchmal, und leider zunehmend häufiger begegnet mir jedoch das Phänomen, dass sich Menschen einen Hund nach dem anderen in ihre Gruppe holen. Immer muss es noch einer mehr sein. Und das schon in erstaunlich kurzen Abständen. Das erinnert mich ein bisschen an Kinder, die immer wieder ein neues Spielzeug brauchen (ist aber bei den Menschen ganz bestimmt nicht so!?!).
Die meisten haben gute Absichten dabei. Sie wollen das Beste für die Hunde.
Oder müssen sich die Menschen dadurch nach außen darstellen? Weil sie so viele Hunde führen können? Oder wird es auf dem Instagram-Account oder der FB-Profilseite sonst langweilig? Muss immer neuer Content her, um "Kunden" zu halten oder dazuzugewinnen? In Form eines Neuzugangs?
Haben denn die schon vorhandene Hunde ein Mitspracherecht bei der Auswahl des neuen Hundes? Meistens leider nicht. Wenn es gut läuft, dann können sich die Hunde vor der Entscheidung kurz kennen lernen. Wobei dann viele Menschen es als ausreichend ansehen, wenn sich die Hunde nicht direkt kloppen. Es wird auch als positiv gesehen, wenn sich die Hunde ignorieren und sich gar nichts zu sagen haben, sich eher noch ausweichen.
Ich stelle mir das immer bei Menschen vor: die besten Kontakte sind die, wo sich alle ignorieren? Ja nee, is klar!
Viele Leute wollen also viele Hunde und die sollen dann gar nicht oder nur sehr oberflächlich miteinander sprechen. Die Begründung hört sich erstmal gut an: der Mensch will ja der Dreh- und Angelpunkt für jeden einzelnen Hund sein und er will so gut wie alles zwischen den Hunden regeln. Er ist ja schließlich der Rudelführer, Entscheidungsträger, wie auch immer man es nennen will. Gar nicht falsch, wenn es eine bewusste Entscheidung ist, da gehe ich weiter unten noch drauf ein.
Viele Hunde haben zu wollen kann ich übrigens absolut nachvollziehen. Würde ich auch gerne haben, wenn ich könnte. Mein Ego ist da ziemlich laut! ;-)
Mach ich aber nicht! Warum? Weil ich inzwischen weiß, was es für Hunde bedeuten kann, wenn sie einfach in eine Gruppe zusammen gesteckt werden, ohne darauf zu achten, ob es von der Kommunikationsstruktur her passt.
Und weil ich Gespräche nicht unterbinden, sondern Beziehungen unter den Hunden fördern möchte, die den Hunden gut tun. Das ist meine persönliche Einstellung, mein Wunsch für meine Hunde. Wichtig!!! Ich lasse jedem seine individuelle Entscheidung!
Es ist für mich übrigens auch völlig okay, wenn ein Mensch sagt, er möchte gerne der absolute Dreh- und Angelpunkt der Hunde sein. Er möchte erster Ansprechpartner sein und die Hunde sollen nichts selbst miteinander klären. Da sind wir Menschen ja auch sehr individuell. Aber auch oder gerade dann muss der Mensch sich genau ansehen, was für Hunde er da vergesellschaftet. Denn Gespräche (nach HSS) "passender" Hunde immer zu unterbinden ist tatsächlich noch fataler, als unpassende immer zuzulassen. Und so wäre für einen Mensch mit diesem Bedürfnis tatsächlich eine Gruppe aus (nach HSS) "unpassenden" Hunden unter bestimmten Voraussetzungen besser geeignet.
Es kommen ja auch oft bestehende Mehrhundehaushalte zu HSS, bei denen erst dort der Persönlichkeitstyp ermittelt wird. Und es ist NIEMALS eine von uns vorgeschlagene Lösung, Hunde nur deshalb abzugeben, weil bei ihnen die Kommunikation nicht gut ineinander greift! Das Hundezentrum HSS® betreut sehr erfolgreich eine nicht unerhebliche Anzahl Mehrhundehaushalte mit sehr unterschiedlichen Zusammenstellungen.
„Unpassende“ Hunde können also sogar sehr gut zusammen leben, wenn man sich dessen bewusst ist, wie man als Mensch zwischen ihnen vermitteln kann, damit alle ein entspanntes Leben führen können. Da hilft natürlich als erstes die Ermittlung des Persönlichkeitstyps weiter. Meist muss erstmal Interaktion relativ strikt unterbunden werden. Auch, wenn es oberflächlich gesehen schön aussieht, wenn sie sich miteinander beschäftigen - hier nochmal der Hinweis auf die Kommunikationssignale der Hunde, anhand derer sich ungute Aktionen recht gut erkennen lassen - das ist oft eine Anpassung an die "unpassende" Konstellation. In gewissem Maße ist das okay und auch gut, denn auch das ist eine wichtige Fähigkeit. Dauerhaft führt es jedoch zu Frust auf beiden Seiten, der sich irgendwann entladen kann. Und dann ist man erstaunt über Eskalation. Manche Hunde tragen den Frust nicht nach außen und werden krank davon, das kennen wir alles ja auch von uns Menschen.
Wir beobachten tatsächlich häufiger, dass ein Hund nach einer (nach HSS) "unpassenden" Vergesellschaftung ohne das richtige Handling eine Krankheit entwickelt und in der Folge auch tatsächlich verstirbt. Ob es da einen Zusammenhang gibt? Meinem Gefühl nach leider ja.
Wenn die Hunde in der Gruppe verstanden haben, dass sie sich gegenseitig ihre Bedürfnisse nicht erfüllen müssen, sondern dass der Mensch sich jeweils darum kümmert, dann können sie sich entspannen, in ihre eigene Mitte (zurück)finden und ein gutes Leben miteinander führen. Entspannte oberflächliche Gespräche sind dann zwischen den Hunden oft auch wieder möglich.
Aber zurück zu "einer geht noch...".
Warum also immer noch einen Hund dazu nehmen? Mehr- oder eher Vielhundehaltung um jeden Preis?
Vielleicht, aber wirklich ganz vielleicht zieht hier auch mal ein weiterer Hund ein. Dann hat für mich jedoch die absolut oberste Priorität, dass es ein Hund ist, der zu meinen beiden hier optimal passt. Nicht nur vom Persönlichkeitstyp, sondern auch von Rasse, Geschlecht, Größe, Gewicht, Aktivitätslevel und Entwicklungsstand.
Meine Vorlieben haben vielleicht auch Mitspracherecht, aber die Entscheidung würde hier immer nur zugunsten der Hunde fallen. Ich fänd es nicht richtig, wenn ich mein Ego über die Bedürfnisse der Hunde stellen würde bei solch eine für sie wichtigen Entscheidung.
Traurig machen mich Berichte über Hundegruppen, wo ich dieses "einer geht noch..." beobachte. Wo ich mich jedesmal wieder frage WARUM? Wo ich die Entwicklung von Konflikten beobachte, die mitunter wirklich heftig sind und sich auch über meine Beobachtungszeit nicht verbessern, eher im Gegenteil. Wo trotz großer Kompetenz im Hundeführen aber eben leider ohne das Wissen von HSS doch situativ nicht aufgepasst bzw. reguliert wurde oder werden konnte und Hunde verletzt werden, weil sich ihr Verhältnis zueinander so nicht verbessern kann, da der Konflikt immer weiter besteht und sich verschärft. Oft mit zunehmenden Alter der Hunde.
Aber vielleicht will der Mensch es so und vielleicht gewinnt er ja gerade dadurch sogar eine gewisse Anzahl Zuschauer, die genau das sehen oder lesen wollen.
Spektakuläre Berichterstattung zieht! Manchmal leider auf Kosten der Hunde!
Das Optimum für Zuwachs in einer Hundegruppe ist bei meinem heutigen Wissens- und Erfahrungsstand eine gezielte Vergesellschaftung mit guter Vorbereitung im Sinne der Hundesozialstrukturen und dem Konzept vom Hundezentrum HSS®.
Infos dazu gibt es hier: https://www.hundezentrum-hss.de/hundesuche/
Ich wünsche mir so sehr, dass nicht nur immer alle davon reden, dem Hund als hochsozialem Lebewesen mit Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen, sondern dass sie es auch tatsächlich mal tun. Mit allen Konsequenzen, auch wenn es für den Menschen manchmal einen Nachteil bedeutet.





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