Alles auf Anfang...
- B K

- 26. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Nov.

Dass mit jedem neuen Hund ein neuer Aspekt ins Leben tritt – etwas, das man mit den bisherigen Hunden noch nicht erlebt oder gesehen hat – war mir eigentlich klar.
Als ich über einen dritten Hund nachdachte, habe ich oft gesagt: Der wird mich wahrscheinlich nochmal richtig fordern.
Meine Mädchen sind inzwischen sehr leichtführig, und ja – ich bin dadurch wohl etwas verwöhnt. Die schwierigen Zeiten mit früheren Hunden verblassen ja irgendwann, man erinnert sich vor allem an das Schöne.
Dass Taron mich allerdings auf diese Weise herausfordern würde, hätte ich nicht erwartet.
Er kam zu uns, ohne jegliche Vorstellung von Grenzen oder Einschränkungen durch den Menschen. Egal, wie wir es versuchten – nichts schien bei ihm anzukommen. Schon als kleiner Welpe war er kaum zu beeindrucken. Der längere Klinikaufenthalt gleich nach seiner Ankunft verschärfte das Ganze noch.
Aber Grenzen mussten sein. Also wurden wir schneller, lauter, vehementer. Sein distanzloses, übergriffiges Verhalten einfach zu ignorieren, kam nicht in Frage. Und irgendwann muss man sich ja auch durchsetzen – besonders, wenn ein Junghund meint, alles mit den Zähnen regeln zu können.
Doch seine Reaktion darauf war ernüchternd: Er wurde härter, verschlossener, nahm uns immer weniger wahr.
Das tat weh.
Vor allem, weil ich wusste, dass er als Hundetyp eigentlich Nähe und Halt braucht – mental wie körperlich.
So haben wir uns eine Zeit lang ziemlich aneinander aufgerieben.
Auch Jusha verhielt sich in dieser Phase eher passiv. Wenn Taron zu stürmisch wurde, rollte sie sich zusammen, lag auf dem Rücken und wehrte nur ab. Dabei war sie nicht immer das Opfer – oft hatte sie die Situation selbst mit angestoßen.
Es war für mich schwer anzusehen, wie er mit ihr umging. Ich habe häufig eingegriffen, ihn begrenzt – und musste dabei manchmal deutlicher werden, als es mir lieb war.
Doch jedes Mal, wenn ich laut wurde, zog Jusha den Kopf ein. Solche klaren Korrekturen sind einfach nichts für sie. So hatte mein Eingreifen leider noch einen Nebeneffekt: Jusha zog sich mehr zurück.
Wenn ich es dagegen mal laufen lassen konnte – was sehr von meiner inneren Verfassung abhing –, sah ich zunehmend, dass sie gar nicht nur in der Abwehr war. Oft bestimmte sie die Situation selbst, indem sie sich nicht auf seine überbordende Energie einließ, um ihn nicht noch weiter hochzufahren. Sie leitete seine Energie viel mehr ab und war einfach nur da.
Sie hielt ihn aus.
Und das war ein Schlüssel für mich.
Halten heißt eben auch aushalten.
Wenn ich den Bogen zu Kindern schlage, die sich ähnlich verhalten: Auch sie brauchen ein Gegenüber, das sie hält – mit allem, was dazugehört.
Einen Bindungspartner, der seine Zuwendung nicht vom Verhalten abhängig macht.
Der nicht nach dem Motto lebt: Ich hab dich nur lieb, wenn du artig bist, sondern bedingungslos liebt.
Natürlich ist der Vergleich zwischen Hund und Kind nicht eins zu eins übertragbar.
Und wenn Zähne im Spiel sind, braucht es selbstverständlich Management und klare Grenzen – niemand soll verletzt werden.
Taron setzt seit dem Klinikaufenthalt immer wieder seine Zähne ein. Aber Jusha hat enorm mit ihm an seiner Beißhemmung gearbeitet. Er weiß sehr genau, was er mit dem Maul tut – ich hatte noch nie einen Kratzer oder ein beschädigtes Kleidungsstück durch ihn.
Er ist eben noch jung, seine Ernsthaftigkeit nicht voll ausgereift.
Dennoch bin ich wachsam – gerade nach meiner eigenen Bissverletzung durch einen fremden Hund.
Im Moment lassen wir seine Maulaktivität uns gegenüber zu, solange er dabei vorsichtig bleibt.
Auch Jusha korrigiert ihn nur, wenn er übertreibt. Mit fremden Menschen sind wir da noch im Management – nicht jeder kann oder möchte so etwas aushalten.
Wir orientieren uns sehr an Jusha.
Wie geht sie mit ihm um? Was lässt sie zu, was verbietet sie?
Und: Was verbietet sie uns im Umgang mit ihm?
Oft schiebt sie sich zwischen uns, wenn er beim Streicheln hochfährt.
Oder sie lenkt ihn mit einem Spielzeug ab, wenn sie merkt, dass wir ärgerlich werden.
Ich vertraue ihr da sehr.
Sie ist souverän, und in dem Konzept der Hundesozialstrukturen Tarons passende Bindungspartnerin.
Sie weiß sehr genau, was ihm guttut – und was nicht.
Sie zeigt uns, dass es bei Taron grundlegend darauf ankommt, ihm mit emotionaler Ausgeglichenheit und einer annehmenden, ruhigen Energie zu begegnen.
„Dieser Hund fühlt, was du fühlst“, sagte Aylin Notzon vom Hundezentrum HSS®.
Und genau das trifft es.
Hunde seines Typs – der unselbstständige Partnertyp aus der sozialen Mitte – können Emotionen anderer kaum abgrenzen. Sie fühlen einfach mit. Das bedeutet: Begegne ich ihm mit Härte, wird auch er hart. Bin ich verzweifelt, wird er es ebenfalls.
Ich sehe das bei Taron ganz unmittelbar:
Will ich etwas von ihm und mache Druck, wird er fest – und blockiert.
Schaffe ich es, innerlich weich zu werden, auszuatmen, dann folgt er fast augenblicklich. Oft atmet er dann selbst aus – und löst sich.
Seit wir uns darauf wirklich einlassen können, machen wir gute Fortschritte.
Taron wird wieder weicher, ansprechbarer, sucht von sich aus Nähe und genießt den Körperkontakt.
Gerade für seinen Hundetyp ist die enge Bindung unglaublich wichtig – und es tut auch uns einfach gut.
Dass dieser Hund mich auf einer so neuen, tiefen Ebene berühren würde, hätte ich nie gedacht.
Aber schon jetzt weiß ich: Wenn wir eines Tages gemeinsam soweit sind, werde ich auf diese Zeit mit großer Dankbarkeit zurückblicken.
Weil sie mich gelehrt hat, so viel mehr zu fühlen – und wirklich zu halten.
Und auch, weil ich einmal mehr sehen kann, wie Hunde Hunden helfen können und sich das Konzept der Hundesozialstrukturen vom Hundezentrum HSS® im echten Leben bewahrheitet.





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