Du musst nicht kämpfen!
- B K

- 4. Juli 2022
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Juni 2024

Jeder Mensch, der einen Hund hat, setzt sich irgendwie mit dessen Erziehung auseinander. Die meisten besuchen eine Hundeschule, andere belesen sich oder informieren sich selbst im Internet.
Es gibt eine Unmenge verschiedener Ansätze und Methoden, um den Hund in unserer Umwelt zu händeln. Die will ich gar nicht aufzählen, das ist hier auch völlig unerheblich.
Ob und inwieweit eine dieser Methoden dann die Richtige ist, kommt auf ganz viele Faktoren an.
Wie bin ich selbst als Mensch eingestellt? Was liegt mir? Womit fühle ich mich wohl? Was liegt dem Hund? Womit habe ich den größten Erfolg?
Oft gibt es eh nicht DIE EINE Methode, DEN EINEN Weg. Die einen propagieren eine enge Führung mit festen Grenzen, die anderen gehen eher frei mit dem Hund um. Die einen erreichen ihre Ziele mit Clicker und Keksen, die anderen rein körpersprachlich. Viele Hundehalter entwickeln sich auch über die Zeit weiter und wechseln auch mal die Richtung und die Methodik. Alles völlig okay, finde ich.
Auch ich habe über die Jahre, oft mit einem neuen Hund, immer mal einen neuen Weg gefunden. Das heißt nicht, dass die anderen Wege falsch waren, nur passten sie irgendwann nicht mehr zu mir und meinen Hunden. Bei mir war es so, dass mich auch jeder neue Hund vor eine neue Herausforderung gestellt hat und ich glaube, so geht es ganz vielen Hundehaltern. Hunde sind, wie wir Menschen ja auch, absolute Individuen! Und so bringt jeder von ihnen seine ganz eigene Persönlichkeit mit und eröffnet seinen Menschen sozusagen eine ganz neue Facette, die sie vorher von den anderen Hunden noch nicht kannten. Auf einmal hat man vielleicht einen Hund, der so ganz anders ist, als die vorherigen und mit der bisherigen Methode, dem gewohnten Umgang kommt man vielleicht gar nicht weiter. Der Tanz, den man bisher getanzt hat, passt einfach nicht mehr!
Doch anstatt nach dem Warum zu suchen, versuchen viele, mit dem neuen Hund alles nach altbewährter Art zu machen.
Hatte man vorher einen Hund, für den es richtig war, sich die Dinge unserer Welt in Ruhe anzusehen, hat man aber vielleicht jetzt einen „erwischt“, mit dem dies in die absolute Katastrophe führt.
Oder umgekehrt, hatte man einen Hund, dem es gut tat, sich grundsätzlich nicht um Außenreize zu kümmern, hat man jetzt vielleicht einen, bei dem das Reize selbst bewerten und verarbeiten existentiell wichtig ist. Und der völlig hektisch und huschig wird, wenn man ihn immer weiterzieht und ihn nie etwas selbst bewerten und verarbeiten lässt.
Hatte man vorher einen, dem eine enge Führung gut tat, der sich dann entlastet fühlte, hat man jetzt vielleicht einen, den zu enge Grenzen ständig in den fiddelnden Übersprung treiben. Oder sogar in die aggressive Gegenwehr, weil er eine partnerschaftliche Führung braucht.
Ich will gar nicht weiter von den verschiedenen Methoden sprechen. Da hat irgendwie jede ihre Berechtigung!
Mir ist aber wichtig, den Hund mal wirklich als eine individuelle Persönlichkeit zu sehen. Ihn kennenzulernen! Eine Beziehung zu ihm aufzubauen, in der ich ganz offen schaue, wer ist er eigentlich und was braucht er, um möglichst ausgeglichen er selbst und in seiner Mitte sein zu können. Denn das ist es doch, was wir uns wünschen. Auch für uns selbst.
Von meinem derzeitigen Stand aus sehe ich es als absolut unverzichtbar für mich an, die Persönlichkeit meines Hundes, also seinen Persönlichkeitstyp möglichst von Beginn unserer gemeinsamen Zeit an zu kennen. Natürlich könnte ich den Hund und seinen Wesenskern auch über einen längeren Zeitraum mit einem guten Bauchgefühl irgendwie vielleicht selbst erkennen, aber die Hunde machen es uns da nicht ganz so leicht. Oft haben sie durch ganz unterschiedliche äußere Einflüsse Rollen angenommen, die sie besser durchs Leben bringen. Kennen wir alle, machen Menschen ja auch. Und dann wird es schwierig, als Mensch da richtig zu differenzieren. Was gehört nun zum Hund und was ist Rollenverhalten und Strategie? Wir sind nun mal keine Hunde und bei aller Erfahrung, die wir Menschen im Zusammenleben mit Hunden sammeln können, werden wir doch nie selbst einer werden.
Da ist es doch mehr als logisch, dazu andere Hunde zu befragen. Sie können uns Menschen in Begegnungen zeigen, wer der andere Hund ist. Mit diesem Ergebnis kann ich als Mensch dann wieder auf Erfahrungen zurückgreifen, was dieser Hundetyp im Umgang braucht, welches der beste Weg mit ihm ist. Das ist natürlich wieder nicht einfach so Standard, sondern über den Typ hinaus wiederum sehr individuell. Aber es bringt mir eine große Sicherheit und dem Hund tatsächlich viel mehr Freiheit, weil er sich nun in seinem Rahmen komplett ausleben kann, ohne dass ich unsicher werde, etwas falsches zu tun oder zuzulassen. Das Wissen um den Hundetyp erleichtert den Umgang in ALLEN Bereichen. Ob es nun um die Beziehung zum Menschen geht oder um das Führen des Hundes durch unsere Welt. IMMER kann ich alles auf ihn angepasst handhaben. Und dann kann ich ganz beruhigt auch mal Fünfe gerade sein lassen
Bei diesen Hundebegegnungen, in der mir andere Hunde zeigen, wer mein Hund ist, kann ich auch lernen, wie mein Hund sich in unterschiedlichen Kontakten verhält. Wie sieht das aus in einem Kontakt, der förderlich für ihn ist, in dem er sich wohl fühlt und ausleben kann? Und wie ist er in einem Kontakt, wo die Kommunikation nicht so ineinander greift und er sich nicht so wohl fühlt. Mit diesem Wissen kann ich als Halter dann meist selbst sehen, was für den eigenen Hund ein guter Kontakt ist und was eher nicht. Dass es nicht nur gute Kontakte gibt in unserer Welt, ist ja klar. Wir leben nun mal nicht in einem Optimum. Jedoch kann ich dann auch dementsprechend eingreifen, wenn es mal zu viel wird oder frühzeitig reagieren, weil ich die Zeichen meines Hundes zu deuten weiß.
Passe ich die Führung nicht auf den Hundetyp an, kann es passieren, dass ich trotz aller Bemühungen keinen Schritt weiter komme. Dass ich mir buchstäblich die Zähne an ihm ausbeiße, krampfig immer das gleiche mache und über die Zeit mehr und mehr gefrustet bin, weil die Art von Führung bei anderen doch augenscheinlich klappt. Warum muss ich so kämpfen?
Wie viele Hundehalter bekommen von den Trainern dann Sätze zu hören wie „du hast einfach noch nicht die richtige Energie“ oder „dann ist es dir noch nicht wichtig genug“ oder „dann musst du die richtige Korrektur erst noch lernen“. Das macht echt viel mit den Menschen. Mit dem Hund klappt es nicht, vielleicht zeigt er Verhaltensauffälligkeiten, die in der Gesellschaft einfach schlecht ankommen und dann entwickelt man auch noch große Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle. Und alle Welt spricht dann auch noch davon, dass das Problem ja immer am anderen Ende der Leine zu finden ist. Toll!
Und wer nun meint, das wäre alles Quatsch und bei ihm klappt die eine Methode immer, hatte meiner Meinung nach nur noch nicht den richtigen Hund. Oder er nimmt gar nicht wahr, dass sich sein Hund oder seine Hunde nur in die Führung beugen, sie aber eigentlich nicht dankbar annehmen. Stichwort „der ausgeschaltete Hund“.
Da lohnt es sich doch, mal die Perspektive zu wechseln! Wenn etwas trotz guter Ausführung über längere Zeit einfach nicht zum Erfolg führt, nutzt es nichts, da immer weiter gegen die Wand zu rennen. Dann muss an den Voraussetzungen etwas verändert werden. Und warum dann nicht die logische Konsequenz ziehen und auf der Seite des Hundes genauer hinsehen? Die Erfolge in der Arbeit nach einer Ermittlung des Persönlichkeitstyps des Hundes sprechen da eine ganz klare Sprache! Es lohnt sich! Oftmals wird es danach um ein Vielfaches leichter und die Menschen sehen ihren Hund anders und sehr wohlwollend, wenn sie ihn erst mal wirklich verstehen.
Das ist es, was ich von meinen vier sehr verschiedenen Hunden gelernt habe: jeder von ihnen braucht(e) eine andere Art der Führung, weil sie im Wesenskern komplett unterschiedlich waren.
Für meine ersten beiden hätte ich mir gewünscht, HSS früher kennengelernt zu haben. Es wäre leichter für alle gewesen und wir hätten nicht so viel herum probieren müssen. Meine beiden jetzigen Hunde profitieren absolut davon, dass ich HSS und ihren Persönlichkeitstyp jetzt kenne und genau weiß, welche Art von Führung für sie förderlich ist und für mich Erfolge bringt. Es darf also leicht sein, man muss nicht kämpfen!





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